Neulich, in der Kasperliwelt

Es gibt nur 3 Orte, wo ich mit Zeitschriften, mit solchen Heftli in Kontakt komme: auf dem Campingplatz in Holland, weil Jaques Extramarket keine andere Literatur auf Deutsch im Angebot hat, grob geschätzt alle 5 Jahre mal im Wartezimmer eines Arztes und zum Dritten mehrmals wöchentlich in der Warteschlange vor der Kasse im Coop, weil sie das Regal strategisch klug platziert haben.

"Prinzessin Charlotte hat ein süsses Geheimnis", "Gottschalk: Scheidung!", "ein Freund der Familie packt jetzt aus", "20 Kilo runter in 3 Wochen mit Dr.Dünnlis Spargeldiät", "Ich bin wundervoll!",  "Sex - das will er wirklich!", "22 Modetipps für den Frühling",  "Jetzt noch mehr sparen!", "Florian Silbereisen - der Schmerz der Trennung!", "So starten sie jetzt richtig durch!" - Sowas halt.

Offenbar wird sowas regelmässig gekauft, sonst würde es nicht im Laden stehen und wertvolle Verkaufsfläche belegen.

Der Punkt ist: heute hab ich mich amüsiert, beim Anstehen an der Kasse. Weil ich sah das Titelblatt der aktuellen Ausgabe der "Schweizer Illustrierten". Das ist so ein Familien / Hausfrauen Magazin, mit Gefälligkeitsinterviews mit Prominenten, Politikern, mit Wandertipps und den 30 besten Ausflugszielen, mit "so schön ist unsere Schweiz!", mit harmlosen Reportagen und Weichspülerartikeln, mit jeder Menge Regenbogen, linker Korrektheit, Gesundheitstipps von Dr.med. Sympathisch, mit Katzen, Hunden, einer Rätseldoppelseite und tollen Bastelideen, man war beim Alpöhi und seinen Geissen und dann war da noch diese Cerverlat-Promi-Party im Bahnhöfli Luzern - Sowas halt. Man bringt ein breites Spektrum an gmögigen Nichtigkeiten und bleibt dabei stets im Strom, im Mainstream, freundlich lächelnd.

Nur damit du dir etwa ein Bild machen kannst. Weil ein weiteres Bild möchte ich dir jetzt dazu zeigen, nämlich das erwähnte Titelblatt:

Ist das nicht amüsant? Mit diesem süssen Pseudo-Aktivismus, der gänzlich auf Linie mit einer ohnehin propagierten öffentlichen Meinung liegt, etwa wie "Diese 100 Promis sprechen sich mutig gegen Rechts aus". Die Schweizer Illustrierte titelt: "ES GIBT KEINEN PLANET B".

Was mich nun amüsiert: Offenbar gibts nichtmal einen Planet A.  

Denn sie haben eine Computergrafik benutzt. Eine Grafik, die die Erde darstellen soll. Das tragische ist: wer nimmt davon schon Notiz? Vieleicht nicht mal der Grafiker dieses Magazins. Weil wir sind uns derartiges gewöhnt, seit jeher wird uns derartiges als "die Erde" präsentiert.

Wenn sie die Pyramiden von Gizeh auf dem Titelblatt wollen - benutzen sie dann auch eine Computergrafik? Warum nicht? Weil es Photos gibt - und weil man sich sonst fragen würde "warum nehmen sie eine Computergrafik?". Sobald es aber um diesen Mythos "Planet Erde" geht, da schaltet sich der Verstand aus, weil es so "Space" ist vieleicht, weil kein Mensch, kein Kosument, diese Erde jemals selbst gesehen hat - also frisst man es einfach. Vieleicht sind das Gründe dafür.

Praktischerweise schreit die Schweizer Illustrierte nicht nur mutig auf, sondern liefert auch gleich Lösungen: Politiker und Transportunternehmer UELI GIEZENDANNER, eine Sportlerin - halt, eine Olympiasiegerin TANJA FRIEDEN und ein Wetterfrosch THOMAS BUCHELI dürfen sich in korrektem Licht darstellen. "UNSERE KLIMARETTER - 66 SEITEN".

Diese Welt, diese Organisation, kommt mir vor wie ein Kasperlitheater, hier unten läuft eine Tragik-Komödie, ich bin hier unten in einem ätzenden Film gelandet.

Gerne vergleiche ich auch immer mit dem Wrestling, weil es ist im Grunde die gleiche Geschichte. Im Wrestling gibts Storylines, Geschichten um die Bösen und die Guten, die ständig aus irgendwelchen zu konstruierenden Gründen Beef haben miteinander. So verkauft man das Produkt, so läuft die Kiste. Dann gibt es zwei Arten von Wrestling Magazinen, grob gesagt "die offiziellen" und die "inoffiziellen". Das offizielle Magazin durchbricht nie die Mauer des Scheins, erzählt Geschichten aus dem Ring und präsentiert die Wrestler im Rahmen aktueller Storylines, im Rahmen ihres aktuellen Gimmicks ("Er ist Müllmann", "Er ist ein Medizinmann aus dem Dschungel", "Er ist ein Indianerhäuptling"). Solche Heftli wie die Schweizer Illustrierte sind "offizielle Magazine".

Und ja - ich kenne nur die alten Wrestling Superstars, etwa ab 1998 hab ich das Interesse verloren.