Du siehst das Titelbild der Montagsausgabe dieser Woche, dieses wird grösstenteils belegt durch die Darstellung eines Teils der Redaktion des Blatts.
Als ein betont jugendlich anmutendes, überfröhliches und grundmotiviertes Grüppchen lässt der Fotograf sein Sujet posieren. Wir sind immer lustig und lieben den Montagmorgen! Das steht nicht da, aber es schwingt so mit.
Den Grund für diese abstossende, in Szene gesetzte Fake-Fröhlichkeit bietet die Lancierung eines Zitat "YOUTH LAB".
Was zum Butterblümchen ist ein "Youth Lab"?
Was haben wir gelacht! Es war total witzig! Ja. Genau. Mir persönlich ist menschenverachtender Zynismus um Längen sympathischer als eine derartige Zurschaustellung. Natürlich handelt es sich hier nicht um die echte Redaktion des Blatts, was ich doch schwer hoffe, sondern um ein zwecks Lancierung und Promotion zusammengestelltes Grüppchen. Freiwillige aus dem Ressort "Lifestyle & People", möchte ich mal unterstellen. Denn eine echte Redaktion, die sich dermassen Fake und gestellt präsentiert, wäre etwas unvorteilhaft im Zeitalter der "Fake News". Aber who cares - Gegenstand der Promotion ist ja nur ein unrelevantes "Youth Lab" zur Klientelbindung:
"Folgst du dem Instagram Account von 20 Minuten?" - "Gefallen dir unsere Videos?" - lese ich noch eine Zeitung oder blätter ich schon in der BRAVO? Die 'Ressortleiterin Community und Projektleitung 20 Minuten Youth Lab', sie schreibt: "Wir können es kaum erwarten, die Jugendlichen bei uns zu haben und mit ihnen zu arbeiten. Bisher mussten wir viel darüber mutmassen, was ihnen gefällt und was nicht."
NB - Das erinnert mich jetzt spontan an die "Nachrichten in einfacher Sprache" im Deutschlandfunk, hör dir das mal an bei Gelegenheit, dieses Format ist kultverdächtig. Ich meine das läuft jeweils Freitags um 20 Uhr.
Nun, "20 Minuten" will sich offenbar stärker noch an jüngere Konsumenten richten, der Hauptzielgruppe näher kommen, ihrer Erwartungshaltung noch besser entsprechen können. Ist das nicht lieb? Für die Jugend!
Jetzt machen auch die Fake Gesichter Sinn. Denn "20 Minuten" wird gratis verteilt und finanziert sich (und den für den Verlag erwirtschafteten Gewinn) allein durch Werbung. Durch Werbepartner, die mit ihren Inseraten und gesponsorten Artikeln einen Grossteil dieser Zeitung einnehmen. Denn eben dafür ist "20 Minuten" ja konzipiert. Der Rest der Zeitung wird gefüllt mit eingekauften Meldungen der Nachrichtenagenturen und fertig ist das tägliche Blatt.
Tamedia will "20 Minuten" als Medium für Werbtreibende noch attraktiver machen, darum der Fokus auf deren Hauptzielgruppe, darum die Lancierung dieses "Youth Lab". Da liegt der Hase im Pfeffer.
Ist es moralisch nicht etwas fragwürdig, die altersbedingte Dummheit von Jugendlichen derart auszunutzen? Ein Interesse vorzuheucheln, vorzutäuschen, das in Wahrheit von ganz anderer Natur ist? Sind sich die teilnehmenden Jugendlichen bewusst, dass sie nur dazu dienen, eine Werbemedium zu optimieren, das zum Dank dafür auf eben diese Jugendlichen besser zielen und treffen will?
Sollte man das den Avisierten nicht irgendwie mitteilen müssen, dass dieses "Youth Lab" nicht ganz koscher ist? Ein falscher Hase, sozusagen?
Siehst du das Bild, do you get the picture?
Bedenke: Wer einen Warnhinweis auf sein Produkt druckt, der hat seine Verantwortung erfüllt. Der Produzent ist nicht dafür verantwortlich, ob der Konsument lesen kann oder Analphabet ist.
Und bedenke weiter: Man schiesst nicht ein Foto dieser Gruppe, die hier posiert. Der Fotograf wird für das geplante Titelbildfoto 10x, 20x, vieleicht 30x den Auslöser betätigen. Im Anschluss wird jedes Detail auf den Aufnahmen geprüft und das beste und gelungenste Photo wird schliesslich ausgewählt und aufs Titelbild gehievt. Diese eine Aufnahme siehst du hier.
All dieses Fake Gelächter aussenrum dient nur der Ablenkung von der tatsächlichen Information in diesem Bild.
Wird nicht plötzlich alles offensichtlich? Verstehst du - der Hinweis, das Glückspiel süchtig macht, der muss nicht in Riesenlettern auf der Werbung fürs Lotto-Spiel prangen. Vermutlich wird da eher die Gewinnsumme angepriesen. Es genügt, wenn der Hinweis irgendwo im Rahmen der Werbung vorhanden ist, auch in weit kleinerer Schrift.
Das ist dieses Bild, diese Ankündigung des "YOUTH LAB" Projekts.